Was ist eigentlich Nachhaltigkeit?
Diese Nachhaltigkeit ist ja mittlerweile überall. Manchmal fühlt man sich schon fast verfolgt. Was will die? Will sie mir vorhalten, was ich alles noch nicht richtig mache? Ist sie nachtragend und kommt daher Nach-Halten? Wie begreifen denn die anderen das?
Lasst uns doch mal ins Englische schauen. Oft gibt es dort so viel schönere Worte, die den Nagel auf den Kopf treffen. Sustainability heißt es dort. Sustain wie erhalten – aha, so ist das mit dem nachhalten gemeint. Es soll einfach länger vorhanden sein. Am besten möglichst lang. Und dann wäre da noch ability – eine Fähigkeit. Das steckt im deutschen Begriff zum Beispiel gar nicht drin. So macht das ganze natürlich Sinn – die Fähigkeit, dass Dinge möglichst lang vorhanden bleiben.
Welche Dinge das sind und wie sie zueinander stehen, darüber haben sich natürlich auch schon einige Menschen Gedanken gemacht. Sie sind entsprechend ihrer wissenschaftlichen Disziplin zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Daher gleicht Nachhaltigkeit auch eher einem Container als einer wirklichen Aussage. Gewinnaussichten können nämlich genauso „nachhaltig“ (Fähigkeit des Unternehmens, dass Gewinne möglichst lang vorhanden bleiben) sein wie Artenschutzmaßnahmen (Fähigkeit des natürlichen Lebensraumes, dass alle heimischen Arten möglichst lang vorhanden bleiben).
Es ist also eine Frage der Perspektive – deshalb werdet ihr in meinem Blog noch oft von Perspektiven hören und sie ab und zu mit mir wechseln müssen. Außerdem macht es Spaß, in die Schuhe anderer Menschen zu steigen und von ihnen zu lernen. Ich bin sozusagen ein Perspektiven-Junky.
Brundtland-Kommission – Säulentheorie
Kritik: Alle drei Säulen sind gleichberechtigt. Wenn also eine nicht mehr so tragfähig ist, gibt es ja noch zwei andere, die unsere Zivilisation erhalten. Meistens wurde das zu Ungunsten der Ökologischen Säule ausgelegt. Das wäre dem einen oder anderem Ökonomen zwar recht, aber es funktioniert nicht.
Wenn – wie jetzt mitten in der Corona-Krise – das soziale System geschlossen und der Gesundheit zuliebe zu Hause bleibt, können die anderen beiden Säulen das nicht abfedern. Die ökologische Säule stört das nicht, aber die wirtschaftliche Säule kann so einfach nicht weiter funktionieren, als wäre nichts geschehen. Das deutet also darauf hin, dass es so etwas wie eine Abhängigkeitskette zwischen diesen drei Facetten gibt.
Was uns zur Eberswalder Spiegelei-Theorie bringt: denn hier liegen die drei Sphären aufeinander. Eins baut auf dem anderen auf. Was wir aus der Corona-Krise sicherlich gelernt haben: Die Wirtschaft ist der Teil, der in Abhängigkeit von der sozialen Sphäre steht. Ohne Menschen, Gesundheitssystem, Bildung und allgemeingültige Regeln des Zusammenlebens kann man halt schlecht wirtschaften. Wir wollen hier aber nicht die ökonomische Sphäre in ihrer Bedeutung für die Menschheit kleinreden, immerhin ist Bildung auch erst durch die Erfindung des Buchdrucks massentauglich geworden und hat in vielerlei Hinsicht die Entwicklung der Soziosphäre beeinflusst. Aber eben auch umgekehrt: Ohne dem Wunsch des Menschen nach warmer Kleidung im Winter wäre diese auch nicht erfunden worden. Diesen Streit kennt ihr sicherlich aus der Digitalbranche, wo darum gerungen wird, ob nun costumer-driven oder technology-driven der beste Weg sei. (Über die Frage, wohin eigentlich, werde ich auch bloggen.)
Dem aufmerksamen Beobachter ist nun sicher aufgefallen, dass die Ökosphäre noch nicht weiter diskutiert wurde. Auch hier gibt es ja diverse Ansätze, wer wem bestimmt. Ein Ansatz ist, dass ohne die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft ein wirksamer Klimaschutz gar nicht möglich sei, was einer Abhängigkeit der Ökosphäre von der Wirtschaftssphäre gleich käme – danke für diesen erlesenen Bullshit @Flossbach von Storch. Oder dass das bürgerliche Engagement für den Artenschutz und das Verhalten jedes einzelnen in der Gesellschaft ausschlaggebend sei – was einer Abhängigkeit der Ökosphäre von der Soziosphäre gleich käme.
Wenn wir ganz ehrlich sind, wissen wir: die Ökosphäre braucht uns nicht. Sie war schon vor uns da und wir benutzen sie, oft äußerst schäbig und egoistisch für die Interessen der Einflussreichsten. Ohne sie gibt es kein Essen, keine Rohstoffe, keinen Lebens- und Wirtschaftsraum. Die Erde ist im wahrsten Sinne des Wortes das Fundament, auf dem alles fußt, und das Material, aus dem alles erschaffen ist. Zuallererst wir als Menschen und darüber hinaus die Wirtschaft. Dass die Ebenen miteinander korrelieren, steht außer Frage: Es braucht das Verhalten jedes einzelnen genauso wie das Engagement der Wirtschaft. Aber die Rangfolge steht eben auch außer Frage.
Nachdem wir das für diesen Blog also ein für alle Mal geklärt haben, möchte ich noch einmal zurück kommen zur Frage: Was ist denn diese Nachhaltigkeit? Welches Ding soll denn jetzt durch unsere Fähigkeiten möglichst lang vorhanden sein?
Nachhaltigkeit ist die Fähigkeit der Menschen, eine langfristig stabile Soziosphäre UNBEDINGT INNERHALB der Grenzen der Ökosphäre, durch Mittel der Zivilgesellschaft und des sinnstiftenden Wirtschaftens zu ermöglichen.