Unternehmeransicht
Letztens habe ich einen Gründer getroffen, mit dem sich ein Gespräch über die Grenzen von Wachstum ergab. Nun ist die persönliche Zielsetzung für einen Unternehmer natürlich etwas sehr Interessantes und ich fragte ihn, bis wohin er denn wachsen möchte und wie er das für sein Unternehmen sieht. Seine Antwort: Ich will so weit wachsen, dass ich nicht mehr im Unternehmen arbeiten muss, sondern es nur noch verwalte.
Das erinnerte mich an die Geschichte vom Fischer. Er führt ein bescheidenes, aber abgesichertes Leben. Jeden Tag fischt er von 5-8, geht dann zum Markt, verkauft von 9-12 seine Waren und geht dann heim zu seiner Familie. Eines Tages wird ihm angeboten, eine Fabrik zu bauen, damit er mehr Fisch fangen, mehr verarbeiten und somit mehr Geld verdienen kann. Er fragte, was ihm das Geld denn nütze und warum er so viel Zeit hinein investieren solle. Die Antwort der Investoren war: Damit du dich dann zur Ruhe setzen kannst und Zeit für deine Familie hast. Er lehnte dankend ab, denn genau das hatte er schon.
Das beschreibt die Situation ganz gut, wenn Wachstum einfach nur um seiner selbst willen und ohne eine sinnvolle Intention erfolgt.
Nun gibt es aber noch die Sorte Unternehmer, die eine Mission verfolgen. Solche, die damit ein Problem lösen, ein Bedürfnis befriedigen, etwas zum Gelingen unserer Gesellschaft beitragen wollen. Wo ist hier die Grenze?
Es gibt unwahrscheinlich viele Theorien zum Unternehmenswachstum. Sie reichen von der mikroökonomischen Sichtweise bis hin zur biologischen Sichtweise (das Unternehmen als Lebewesen), dem Erfahrungswachstum, dem ressourcenbasierten Ansatz des möglichst geschickten Mitteleinsatzes, dem Phasenmodell mit seinem großen Fokus auf organisatorischem Wachstum usw. Sie erklären alle, wie die Grenzen des Wachstums zu überwinden seien, aber nicht, wie sie zu setzen sind.
Implizit und in vielen Fällen auch explizit wird das damit erreichte Unternehmenswachstum auch mit Unternehmenserfolg gleichgesetzt. Abgesehen davon, dass die meisten Unternehmenskrisen durch falsch aufgebaute Wachstumsinitiativen hervorgerufen werden, ist diese Annahme auch schlicht und einfach sinnentleert. Jedes Unternehmen bedeutet, es wird eine Mission, einen Auftrag, eine Reise zum Ziel unternehmen. Dieses Ziel kann eben auch beinhalten, nur für einen bestimmten geografischen Bereich (z.B. Filialnetz einer Bäckerei im Umkreis von 20 km), auf Grundlage vorhandener Ressourcen (z.B. Ackerfläche eines Bauernhofs), eine bestimmte Anzahl Mitarbeiter (z.B. mit einer Managementebene max. 60 Employees), bis zum Punkt der Bedürfnisbefriedung zu gehen und nicht weiter (z.B. Blumenübertöpfe – oder sagen wir: Autos – so lange herzustellen, bis dieses recht langlebige Produkt den Markt gesättigt hat). Es bedeutet auch, dass die ausgetretenen Wirtschaftsdenkweisen verlassen werden müssten und der Wachstumszwang, der z.B. durch Zinsen entsteht, außer Kraft gesetzt werden muss.
Es gibt also durchaus die Gründe jenseits der Klimadebatte, wirtschaftliches Wachstum zu begrenzen und durch einen Fokus auf Wachstum der gesellschaftlichen Rückkopplungen, Wachstum von Fähigkeiten etc. zu ersetzen. Jede*r Unternehmer*in und jede*r Mitarbeiterin hat es verdient, seine Lebenszeit in ein wirklich sinnstiftendes Projekt investiert zu wissen. Dieses Ziel zu finden und bei Erreichen wieder neu zu definieren, ist die wahre Kunst eines Unternehmers.