Widerspricht sich das nicht?!

Eine meiner persönlichen Gretchenfragen bei der Gründung von Qonzept Marketing war, ob sich Marketing nicht mit dem Gedanken an Nachhaltigkeit widerspricht. Lasst uns diesem Widerspruch auf den Grund gehen – ich verspreche euch, dass ihr zwei Antworten bekommen werdet 😊

Dem Begriff Nachhaltigkeit habe ich in diesem Blog bereits auf den Zahn gefühlt. In meinem Resümee habe ich Nachhaltigkeit für mich wie folgt definiert:

Nachhaltigkeit ist die Fähigkeit der Menschen, eine langfristig stabile Soziosphäre UNBEDINGT INNERHALB der Grenzen der Ökosphäre, durch Mittel der Zivilgesellschaft und des sinnstiftenden Wirtschaftens zu ermöglichen.

Diese Definition beinhaltet also den Auftrag, nützlich zu sein für die Gesellschaft. Wenn dies die Grundlage einer Unternehmung ist, muss logischerweise auch Marketing diesem Auftrag dienen. Schwer vorstellbar, dass die aufwendig produzierten Parfüm-Werbespots zu Weihnachten, Sponsoring der Formel 1, die wöchentlichen Werbebeilagen im Briefkasten und die vielen Werbeposts in unseren Facebook-Accounts einer nachhaltigen Wirtschaftsweise dienen. Ich glaube auch nicht, dass sich dadurch etwas zum Positiven verändert.

Diese Maßnahmen werden schließlich unter der Maßgabe entwickelt, mehr zu verkaufen. Dafür wird unglaublich viel Geld (2019: 21,3 Mrd. € allein in Deutschland!) aufgewendet, um die Message auf den Markt zu bringen. Parallel dazu wird an Konsumerverhalten, Tracking-Verfahren, Neuromarketing und immer neuen Marketingmedien geforscht, um den Return on Adspent weiter zu erhöhen. Hinter einer Anzeige steckt also unglaublich viel mehr, als man sieht. Was uns zu der spannenden Frage bringt, wo Marketing eigentlich anfängt. Gehen wir die Marketing-Kette doch einmal rückwärts:

  • Bevor die Anzeige vor deiner Nase erscheint, hat jemand den Werbeplatz gebucht, jemand anderes die Anzeige grafisch gestaltet und noch jemand anderes hat den Text dazu entworfen oder das Foto geschossen.
  • Damit all diese Jemands arbeiten konnten, hat wiederum ein anderer sich Gedanken gemacht, wer du als Konsument eigentlich bist, auf welchen Medien du unterwegs bist, warum du das Produkt kaufen solltest und wie man es dir am schmackhaftesten präsentiert. Ein anderer denkt dann in die Richtung weiter, wie du das Produkt auch kaufen könntest und bereitet schon einmal den Vertrieb vor (eröffnet den OnlineShop, richtet die Telefonhotline ein, organisiert die Lieferung in den Store). Ein anderer denkt sich außerdem einen Funnel aus, wo überall er dich als Kunden antreffen könnte, denn meistens sind 7 Touchpoints notwendig, bis es zum Kauf kommt.
  • Damit all diese Anderen dir die Brotkrumen für die Schnitzeljagd zu ihrem Produkt legen konnten, hat Irgendwer das Produkt ausgedacht. Dazu hat Irgendwer die Freigabe, ein Team, ein Budget und eine Deadline bekommen. Irgendwer hat dafür am Markt geforscht – was macht die Konkurrenz? Welcher Trend kommt gerade auf? Was verkauft sich gerade am besten (ok, das ist, was EIGENTLICH gemeint wird. Gesagt wird oft: „Was wollen die Kunden?“). Oder wenn Irgendwer den technology-driven-Ansatz verfolgt, hat er eine neue technologische Möglichkeit gefunden und überlegt, wie man diese in ein verkaufbares Produkt umwandelt.
  • Damit Irgendwer all diese Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommt, hat Einer Ziele festgelegt. Was erhofft sich so Einer von der Investition?

Marketing ist also mehr als das Ergebnis, das wir sehen. Es ist eine riesige, strategische Kette, die bis hin an die Unternehmensspitze reicht. In den meisten Unternehmen geht die Prozesskette genau dort los. An dieser Stelle wird also entschieden, wozu die riesige Marketingmaschine in Gang gesetzt wird.

Was wäre, wenn es nicht dazu dienen würde, das 10.000ste Deo zu vermarkten, sondern ein Buch, wie man sich sein Deo und andere Körperpflegeprodukte aus natürlichen Zutaten selbst herstellt? Wenn nicht der Absatz irgendeiner Automarke gepusht werden soll, sondern Servicepartner, die dein Auto so lang wie möglich funktionsfähig halten können? Wenn nicht die nächste Kreuzfahrt, sondern MicroAdventures über deinen Bildschirm flackern? Und dir Werbung nicht mehr das Gefühl gibt, nie genug zu haben, sondern die Möglichkeit aufzeigt, wie du Teil der Lösung sein könntest?

Marketing ist also ein Werkzeug, und jeder entscheidet, wozu er es einsetzt. Mit einem Hammer kann man schließlich auch einen Nagel für sein Lieblingsbild in die Wand hauen oder jemanden erschlagen. Das ist meine erste Antwort darauf, ob Nachhaltigkeit und Marketing sich widersprechen oder nicht.

Für die zweite Antwort möchte ich weiter denken: Wenn wir nur noch sinnvolle Dinge promoten, wird sich einiges ändern: Die Anzahl der Dinge wird radikal weniger. Also werden auch produzierende Firmen und Etats abnehmen. Ebenso wird die Menge an Arbeitskraft in der Werbebranche sinken. Lasst kurz die aufkommende Panik beiseite, um die kümmere ich mich in weiteren Blogs. Es würde schlussendlich bedeuten, dass von den 21,3 Mrd. € Jahreswerbevolumen in Deutschland stets sinkende Zahlen zu vermelden wären bis zu einer Bottom Line, dem noch notwendigen Minimum. Marketing hätte sich also richtigerweise überflüssig gemacht. Das ist meine zweite Antwort.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/75034/umfrage/entwicklung-der-werbeausgaben-in-deutschland-prognose/